Andersherum oder wie ich einem Heterosexuellen die schwullesbische Welt erkläre

„Stell Dir mal vor, es gäbe ca. zehn Prozent Heterosexuelle und alle anderen wären überwiegend homosexuell. – Dein Tag würde ganz anders ablaufen:

Du stehst morgens auf, gehst zum Briefkasten und holst die Tageszeitung. Unterwegs triffst Du zwei schwule Nachbarn, die sich freuen, Dich zu sehen und Dir begeistert im Treppenhaus auf nüchternen Magen einen anzüglichen schwulen Witz erzählen. Du gehst wieder rein, frühstückst und liest dabei die Zeitung. Alle Artikel sind von schwulen Journalisten verfasst, einige darunter von lesbischen Journalistinnen. Es sind ein, zwei knapp in Bademode bekleidete Schwule abgebildet.

Du machst Dich auf den Weg zur Arbeit. Dort angekommen öffnest Du Dein E-Mail-Account. Zwei Deiner Kollegen haben wieder pikante E-Mails mit Spaßcharakter rumgeschickt, die Heteros als albern und lächerlich darstellen. Nicht zu vergessen die E-Mails, in denen stolze Witze darüber gemacht werden, mit wie viel Stehvermögen es der eine Schwule dem anderen von hinten besorgt hat: zwei geschlagene Stunden! Es wird erwartet, dass Du darüber lachst. Besser wäre es, denn eine der E-Mails kommt von Deinem Chef.

Schließlich gehst Du in die Kantine, Mittag essen. Du sitzt unter schwulen und lesbischen Kollegen. Eine ist immer etwas stiller. Du fragst Dich, ob sie vielleicht auch hetero sein könnte. Ein Kollege lebt offen hetero. Die meisten tolerieren das, aber ein, zwei Deppen machen ständig Witze auf seine Kosten. Er hat sich aber sogar getraut, seine Lebenspartnerin mit zur letzten Weihnachtsfeier zu bringen. Eine Ehe dürfen sie ja nicht schließen. Die Leute haben vielleicht geguckt! Während des Essens unterhalten wieder einige Schwule und Lesben die Tafel mit anzüglichen Homowitzen, die stellenweise witzig sind und stellenweise die Grenze des guten Geschmacks echt mal wieder unterschreiten. Du ärgerst Dich und erzählst einen Heterowitz, um zu provozieren. Die meisten gucken Dich entgeistert an, einige wenige schmunzeln. Manche sind tolerant und manche möchten den Eindruck erwecken, sie wären es.  Du gehst wieder ins Büro und arbeitest noch ein paar Stunden.

Danach fährst Du heim, erledigst ein bisschen Haushalt. Da klingelt es an der Tür. Deine Nachbarin kommt zum Plaudern und um Dir ein „super schönes“ neues Buch unaufgefordert auszuleihen. Sie will Dir was Gutes tun. Es ist ein lesbischer Liebesroman. „Das ist doch für Dich auch schön, oder? Du bist da ja offen.“ – Natürlich wärst Du dafür offen, wenn es nicht der fünfhundertneunundsiebzigste Deines Lebens oder so wäre. Du möchtest gerne abends zum Abspannen öfter mal so was richtig schönes Herzschmerzmäßiges mit Mann und Frau lesen, aber leider gibt es dafür nur einen kleinen Markt. Du hast schon alles Gute gelesen und es kommt einfach nicht so schnell Neues dazu, wie Du die Romane verschlingst. Das ist wohl einfach so, wenn man einer Minderheit angehört. Schade. Du setzt ein Lächeln auf, bedankst Dich artig bei der Nachbarin und verabschiedest Dich.

Du gehst ins Wohnzimmer und setzt Dich vor den Fernseher. Du hast 286 Kanäle und auf allen läuft Schwulen- und Lesben-TV. Alle paar Jahre macht ein Sender mal was Experimentelles und nimmt ein heterosexuelles Format ins Programm. Deshalb läuft manchmal spät abends eine hetero-Serie, aber erstens wird die in der Regel schnell wieder abgesetzt und zweitens beginnt sie nie vor 23.30 Uhr. Ins Kino könntest Du auch nicht. Da kommen zwei- bis dreimal im Jahr unter der Rubrik Besonderer Film Heterofilme, heute läuft aber keiner.

Jetzt kommt Dein Freund nach Hause. Ihr beschließt, spontan in die Stadt zu gehen. Da gibt es ein Hetero-Café. Auf dem Hinweg geht Ihr Hand in Hand. Jeder dritte Schwule, der Euch begegnet, schmachtet Deinen Freund an. Er hat für sie durch seine andere sexuelle Orientierung einen besonderen Reiz, was Exotisches. Letzte Woche hat ihm einer Geld geboten, wenn er ihn mal beim Sex mit Dir zusehen lassen würde. Du weißt noch genau, wie er Dir das laut lachend zuhause erzählt hat. Eine Querstraße noch und dann seid Ihr da. Im Café sitzen zwar überwiegend ganz junge Hüpfer und Ihr fühlt Euch dort ein bisschen aus der Zeit gefallen, aber wenigstens seid Ihr unter  Gleichgesinnten. Es ist halt die einzige Hetero-Location in Eurer Stadt. Lang wollt Ihr ja eh nicht bleiben. Morgen müsst Ihr arbeiten und früh raus.“

Schwuler Hip-Hop: Es muss nicht immer Disco oder Schlager sein

Alle Schwulen lieben Madonna, ABBA, Schlager und Disco? Mitnichten! Natürlich gibt es auch viele schwule Männer, die gern Musikrichtungen hören, welche eher selten mit homosexuellen Clichés in Verbindung gebracht werden. So outete sich Rob Halford von der Heavy-Metal-Band Judas Priest bereits im Jahr 1998 als erster homosexueller Metal-Sänger. Doch auch in der Hip-Hop-Szene steigt die Anzahl der MCs, die von der immer noch verbreiteten Salonfähigkeit von Homophobie im Rap nichts halten, spürbar an. Zwar führt der Weg zum Ruhm im Hip-Hop vor allem in Deutschland meist noch immer über die Inszenierung einer übersteigerten Männlichkeit, Aggressivität und Texten, in denen die Wörter gay, schwul, Homo oder Schwuchtel als Beleidigung eingesetzt werden. Doch während der deutsche Rapper Bass Sultan Hengzt mit seinem vermeintlichen Coverartwork, das zwei sich küssende Männer zeigt, noch einen schwulenfeindlichen Shitstorm auslöste, ist man in den USA schon viel weiter: In Übersee gibt es mittlerweile eine Vielzahl an Rappern/Rapperinnen, die sich als schwul, bisexuell oder transgender geoutet haben. Insbesondere im experimentellen Underground-HipHop gibt es mittlerweile eine Vielzahl an queeren Musikern/-Innen. Einige der spannendsten wollen wir Euch in diesem Blog-Artikel vorstellen.

Frank Ocean

Der HipHop/R&B-Sänger Frank Ocean war im Jahr 2012 der erste und wohl bekannteste Protagonist der Szene, welcher sich als schwul geoutet hat. Dies war insofern überraschend, da Frank Ocean ein Mitglied der als homophob geltenden Hip-Hop-Gruppe Odd Future Wolf Gang Kill Them All, kurz Odd Future genannt, war. Jedoch waren bereits zuvor Gerüchte über die Sexualität des Sängers entstanden, da dieser in einigen Musikstücken, die hauptsächlich das Thema Liebe behandeln, Wörter verwendete, die eindeutig auf einen Mann als Liebespartner hindeuteten. Seitdem hat sich jedoch schon viel getan, sogar bei der Grammy-Verleihung ist Frank Ocean bereits aufgetreten.

Le1f

Der in New York geborene Voguer Le1f studierte Ballet und Modern Dance. Mittlerweile betreibt Le1f sein eigenes HipHop Label Camp & Street und ist als offen schwuler Rapper mit einem unorthodoxen Produktionsstil bekannt. Seinen Song „WUT“ stellte er sogar in der Late-Night-Show von David Letterman vor.

Mykki Blanco

Bereits im November 2012 produzierte Le1f gemeinsam mit Mykki Blanco das Lied „Fucking the DJ“. Die rappende Drag Queen stellt die Geschlechterrollen des HipHop infrage und nutzt Musik, Videos und Auftritte als experimentelle Performancekunst. Inzwischen hat es Mykki Blanco in Hochglanzmagazine wie die italienische Vogue , die Elle oder in Andy Warhols Interview Magazine geschafft und ist so etwas wie das It-Girl der queeren Hip-Hop-Szene.

Cakes Da Killa

Der 24-Jährige Schnellfeuer-Rapper Cakes Da Killa zählt mit seinen expliziten Texten über schwulen Sex, aggressiven Beats und Sounds voll musikalischer Referenzen zu den derzeit aufregendsten Stimmen im Hip-Hop-Business. In seinen Videos und bei seinen Auftritten mischt Cakes Da Killa Gender-Identitäten exzessiv durcheinander. Wer hätte gedacht, dass eines der besten Rap-Videos der letzten Jahre einen Typen zeigt, der diverse Hüte ausprobiert?!

Arca

Der Venezolaner Arca, welcher laut eigenen Angaben in seiner Jugend stark mit seiner Homosexualität haderte, hat trotz seines jungen Alters von 25 Jahren bereits Musik für Kanye West und Björk produziert sowie mit jungen, aufregenden Sängerinnen wie FKA Twigs und Kelela zusammengearbeitet. In seinen eigenen Musikstücken reiht Arca post-industrielle Sounds, Drones und basslastige Electronica mit klassischen Referenzen und Pop-Musik aneinander. Im Jahr 2015 sorgte Arca auch außerhalb des Musikbusiness für Aufsehen, als er sich für das BUTT Magazine freizügig von Wolfgang Tillmans interviewen und fotografieren ließ. Auch das offizielle Video zu seinem Song „Vanity“ sorgte für Aufsehen.